05. März 2012 | News | Neue Veröffentlichung

Sterblichkeit und Todesursachen in der Ukraine

Der MIPDR-Forscher Vladimir Shkolnikov hat gemeinsam mit seinen zwei französischen Forscher-Kollegen France Meslé und Jacques Vallin ein Buch über die Sterblichkeitsraten und die Todesursachen in der Ukraine veröffentlicht. Das Buch zeigt ein halbes Jahrhundert europäischer Geschichte auf.

Das Buch schließt sich an eine Veröffentlichung an, in der die Daten für Russland publiziert wurden. Die Forscher werden ihre Arbeit fortsetzen und in einem nächsten Schritt die Daten der baltischen Staaten analysieren.

“Die Analyse von Sterberaten und vor allem die Analyse von Daten, die auch die Todesursachen berücksichtigen, sind enorm wichtig, um die Probleme zu identifizieren mit denen sich die Gesundheitssysteme beschäftigen müssen”, sagt Vladimir Shkolnikov. “Nur mit solchen verlässlichen und aussagekräftigen Daten können die Behörden weiter an Verbesserungen im Gesundheitswesen arbeiten.”

Teilweise sind diese Daten noch nie veröffentlicht worden, weil sie der Forschung noch nicht zugänglich waren. Zu Sowjet-Zeiten wurden sie unter Verschluss gehalten – aus politischen Gründen. Denn sie zeigen auf, dass die Lebenserwartung in der ehemaligen UDSSR deutlich hinter den sich positiv entwickelnden Zahlen der westlichen Länder zurücklag. Erst nach Glasnost und der Öffnung des Landes wurden den Wissenschaftler die Archive geöffnet.

“Sogar zu Sowjet-Zeiten gab es regionale Unterschiede in den epidemiologischen Profilen. Nach dem Verfall der Sowjetunion hat jedes Land seine eigene Gesundheitspolitik umgesetzt. Manche haben zum Beispiel Gesundheitsdienste geschaffen und Gesundheitskampagnen lanciert, mit dem Ziel Risikofaktoren wie Alkohol- und Zigarettenkonsum einzudämmen. Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass sich Lebenserwartung und Mortalität unterschiedlich entwickelt haben”, sagt France Meslé, Mit-Herausgeberin des Buches.

Das Buch zeichnet mehr als ein halbes Jahrhundert Geschichte in der Ukraine und Russland auf. Zum Beispiel enthält es eine Schätzung über die Zahl der Menschen, die während der großen Hungersnot im Jahre 1933 in der Ukraine ums Leben und wie viele im zweiten Weltkrieg starben. Außerdem gibt für jedes Jahr seit Mitte der 1920er Jahre Schätzungen zu den Lebenserwartung in der UDSSR und der späteren Ukraine.

Die Wissenschaftler konnten zum Beispiel auch einen deutliche positiven Effekt der Anti-Alkohol-Kampagne, die der ehemalige UDSSR-Präsident Michael Gorbatschow gleich zu Beginn seiner Amtszeit lancierte, auf die durchschnittliche Lebenserwartung nachweisen.

Überraschend ist, dass das Atomreaktor-Unglück von Tschernobyl sich scheinbar gar nicht auf die Lebenserwartung in der Region ausgewirkt hat. “Paradoxerweise ist die Zahl der Kinder, die an einer Krebserkrankung starben, Mitte der achtziger Jahre sogar ein wenig zurück gegangen. Vermutlich ist dies auf die verbesserten Krebsvorsorgeuntersuchungen zurückzuführen, die nach dem Unglück gestartet wurden“, sagt France Meslé. So sei ersichtlich, dass Krebserkrankungen bei Kindern, wie zum Beispiel Schilddrüsenkrebs, zwar häufiger auftraten, aber in den flächendeckenden Vorsorgeuntersuchungen rechtzeitig erkannt und meistens erfolgreich behandelt wurden.

Auch die Wirtschaftskrise, die dem Zerfall der Sowjetunion folgte, und der Übergang zu einer freien Marktwirtschaft lassen sich in den Daten der Forscher ablesen: Die Lebenserwartung in den neu entstandenen Staaten sank erst einmal rapide.

Mehr Informationen

Mortality and causes of death in 20th-century Ukraine, Meslé, F., Vallin, J. (Hrsg.), Demographic Research Monographs 9, 279 Seiten. Dordrecht [et al.], Springer (2012) (auf englisch)

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