03. April 2025 | Pressemitteilung
Wie Geschlechterrollen den Kinderwunsch beeinflussen
Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Geschlechterrollen und Kinderwunsch in Skandinavien
Wissenschaftlerinnen des MPIDR und der Radboud Universiteit zeigen, dass Einstellungen zu Geschlechterrollen den Kinderwunsch beeinflussen. Sie schlussfolgern, dass niedrige Geburtenraten in egalitären Gesellschaften nicht zwangsläufig auf strukturelle Hürden für Elternschaft zurückzuführen sind, sondern sich auch aus veränderten Wertvorstellungen und Lebensprioritäten ergeben können.

Wissenschaftlerinnen des Max-Planck-Institutes für demografische Forschung (MPIDR) und der Radboud Universiteit haben untersucht wie Einstellungen zu Geschlechterrollen den Kinderwunsch beeinflussen. © Geschäftsfrau: istockphoto.com / PeopleImages; Vater und Tochter: istockphoto.com / Fly View Productions
Nicole Hiekel vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung (MPIDR) und Katia Begall von der Radboud Universiteit haben in ihrer aktuellen Studie untersucht, inwiefern Einstellungen zu Geschlechterrollen mit dem Kinderwunsch von Männern und Frauen zusammenhängt. Dafür haben die Wissenschaftlerinnen Surveydaten von Frauen und Männern der Jahre 2020 bis 2022 des GGP – Generations and Gender Programms für die Länder Dänemark, Finnland und Norwegen ausgewertet. „Wir haben unsere Untersuchung im Kontext der skandinavischen Länder angesiedelt, denn hier geht ein relativ hohes Maß an Geschlechtergleichstellung mit einer niedrigen Geburtenrate einher“, erklärt Nicole Hiekel, Leiterin der Forschungsgruppe Geschlechterungleichheiten und Fertilität am MPIDR.
„Einstellungen zu Geschlechterrollen umfassen die persönlichen Erwartungshaltungen an das Verhalten von Männern und Frauen in den öffentlichen Lebensbereichen, wie Politik und Beruf, sowie den privaten Lebensbereichen, wie Familie und Partnerschaft“, erklärt Katia Begall. Die Wissenschaftlerinnen weisen drei unterschiedliche Profile von diesen Einstellungen in ihrer Stichprobe nach:
- eine Mehrheit von Personen mit einer konsequent egalitären Einstellung, die Männern und Frauen gleiche Kompetenzen und Interessen sowohl in öffentlichen und privaten Rollen zusprechen,
- eine kleinen Minderheit von Personen mit einer konsequent nicht-egalitären Einstellung, die Männern mehr Kompetenz in öffentlichen Rollen und Frauen mehr Kompetenz in familiären Rollen zuspricht, und
- einer ambivalente Gruppe, die Gleichheit in öffentlichen Rollen befürwortet, aber Frauen mehr Kompetenz und Interesse an familiären Rollen zuspricht.
Auffällig ist, dass einer von fünf Befragten dieser letzten Gruppe angehört, was die übliche Annahme infrage stellt, dass Einstellungen zu Geschlechterrollen immer eindeutig sind.
Eine wichtige Erkenntnis aus den Untersuchungen beschreibt Begall so: „Einstellungen zu den Geschlechterrollen von Frauen und Männern beeinflussen die Absichten zur Elternschaft bei Personen, die noch keine Kinder haben. Die große Gruppe der egalitär eingestellten Personen, also die, die öffentliche und private Rollen Männern und Frauen in gleichem Maße zuschreiben, neigen weniger dazu, Elternschaft als ein zentrales Lebensziel zu sehen, was mit einem geringeren Kinderwunsch einhergeht.“
Die Zufriedenheit mit der Aufteilung der Haushaltsarbeit geht mit höheren Kinderwunschabsichten der gleichberechtigt eingestellten Frauen und Männer einher, anders als bei nicht-gleichberechtigt eingestellten Frauen und Männern. Dies deutet darauf hin, dass für egalitär eingestellte Menschen die Übereinstimmung zwischen gewünschter und tatsächlich gelebter paritätischer Rollenteilung eine wichtige Voraussetzung für die Familiengründung darstellt.
Die Studie zeigt, dass die unterschiedliche Verbreitung verschiedener Dimensionen von Gleichberechtigung Auswirkungen auf individuelle Familienplanung haben kann. Während egalitäre Einstellungen zu den beruflichen oder politischen Rollen von Frauen und Männern in den skandinavischen Ländern weitverbreitet sind, variieren Einstellungen zu den familiären Rollen von Männern und Frauen stark. Personen mit dem stärksten Kinderwunsch, typischerweise die mit eher nicht-egalitären Geschlechterrolleneinstellungen, machen nur einen kleinen Teil der Bevölkerung aus, was die Auswirkungen ihres Geburtenverhalten auf die Geburtenrate begrenzt.
Aus den Befunden der Studie ergibt sich, dass anhaltend niedrige Geburtenraten in relativ egalitären Gesellschaften wie Skandinavien nicht ausschließlich auf strukturelle Hürden für Elternschaft zurückzuführen sind, sondern sich auch aus veränderten Wertvorstellungen und Lebensprioritäten ergeben. „Zwar können sich politische Maßnahmen positiv auf die Wahrnehmung auswirken, Familie und Beruf vereinbaren zu können. Aber statt den Erfolg politischer Maßnahmen an steigenden Geburtenraten zu messen, sollte sich dieser darin zeigen, ob die Gesundheit und das Wohlergehen bereits geborener Kinder - und derer, die sie betreuen – verbessert werden“, schlussfolgert Nicole Hiekel.
Originalpublikation
Katia Begall, Nicole Hiekel: Examining the Gender Equality–Fertility Paradox in Three Nordic Countries in Population and Development Review (2025). DOI: 10.1111/padr.12721
Contact
Nicole Hiekel
Leitung der Forschungsgruppe Geschlechterungleichheiten und Fertilität
Max Planck Institute for Demographic Research (MPIDR)
hiekel@demogr.mpg.de
Silvia Leek, Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
+49 (0)381 20 81 143
press@demogr.mpg.de
Keywords
Gleichstellung der Geschlechter, Fertilitätsverhalten, nordische Länder